Graphic Recording im wissenschaftlichen Bereich

In der Vorbereitung auf eine wissenschaftliche Veranstaltung ist man als Graphic Recorder oft auf die Agenda angewiesen, sie ist der goldene Schlüssel. Sie steht oft sehr früh fest, wird früh veröffentlicht und damit frei zugänglich. Selbst wenn noch keine inhaltlichen Informationen der Dozierenden vorliegen, kann ich mir also anhand der Titel schon die wissenschaftlichen Publikationen heraussuchen oder eben auch über den Namen, die letzten Pressemitteilungen des Forschers oder dessen Institut einen guten Überblick verschaffen. Im Ideal kann mir mein Ansprechpartner dies natürlich auch im Briefing zu Verfügung stellen, wird eine Konferenz jedoch 6 Monate zuvor bei mir angefragt, muss ich so niemandem verfrüht Zeit rauben und kann mich nach meinem Wohlbefinden schon einmal mit den ersten groben Daten vertraut machen. Die Vortragsfolien vor der Veranstaltung zu erhalten ist dann das Sahnehäubchen zum Verständnis.  Allerdings habe ich auch  schon Vorträge recorded bei denen ich kein Wort des Dozierenden verstanden habe, wortwörtlich. Denn eine schlechte Internetverbindung ans andere Ende der Welt, mit Verzerrung oder Verzögerung plus einem als Beispiel englisch-asiatischem Dialekt ist keine Seltenheit. ABER: solange die Folien da sind, kriege ich auch das hin! Nennen wir es Zaubern!

Die Agenda ist also essentiell um einen den ersten Schock zu verpassen oder zu nehmen, je nachdem. Im Briefing können diese Details nie geklärt werden, da das Format wissenschaftlicher Kongresse nicht unbedingt vorsieht, dass die Organisatoren wissen können, was vom Vortrag zu erwarten ist. Genau deswegen findet der Kongress ja statt, um die neusten Ergebnisse vorzustellen, der Überraschungsmoment ist gewollt. So wissen die Dozierenden natürlich worum es geht, ihre Fachkollegen auch, aber ich sollte eben auch in den Kreis der Eingeweihten gezählt werden, wenn mein Auftrag lautet: „einen Überblick über die einzelnen Inhalte zu geben“. Das heißt also intensive Vorbereitung, und mich möglichst früh mit einbinden.

Denn der Anspruch eines wissenschaftlichen Recordings, in dem ich die Rolle eines Protokollanten einnehme, ist ja nicht die Inhalte zu verallgemeinern, so dass Externe das Bild vestehen, sondern es dient als Zusammenfassung für die Fachleute – visuelle Kommunikation auf Augenhöhe.  

Denn im Vergleich zu den meisten Einsatzgebieten von Graphic Recording ist eben dieses Protokollieren von Fakten-Frontallbeschallung im Stil einer Vorlesung eher ein unübliches Format für ein Graphic Recording. Man ist oft die Alternative zum Videographen (aus guten Gründen!) und damit besteht der Job zum Großteil darin Folien zusammen zufassen, abzuschreiben und möglichst wenig umzuformulieren oder nach Metaphern zum zeichnen zu suchen. Man schreibt mit, nur eben in ‚etwas schöner und interessanter‘. Verallgemeinerung und Abstraktionen sind eher unerwünscht, Fachkenntnis zum Thema aber Voraussetzung.

Es kann sogar passieren, dass für die Vorbereitung mehr Zeit nötig ist, als für das eigentliche Recording, insbesondere wenn Keyvisuals vorbereitet werden müssen. Auch überwiegt im finalen Recording bei mir oft der Text im Vergleich zu Bild. Denn am Ende bin ich nun mal der Protokollant und nette Zeichnungen oder zuviele* Zeichnungen „sind ja nicht wirklich wissenschaftlich“. *was auch immer die Maßzahl dafür sein soll. Aber auch diese Aussage wird seltener.

Dazu hängt die Wahrnehmung wissenschaftlicher Visualisierungen immer noch stark  vom Kommunikationsziel ab, was im seltensten Fall vorher feststeht, denn in diesem Feld ist man einfach noch nicht soweit. Aber auch das wird besser. Noch sind Graphic Recordings im wissenschaftlichen Feld ‚hübsche Gimmicks‘, um so einen Kongress zusammen zufassen. Bis natürlich auf einige sehr liebe treue Kunden, die sich ihren Kongress ohne (mein) Graphic Recording nicht mehr vorstellen können. Danke dafür an all diese lieben Kunden.

Aber was kommt eigentlich alles zusammen, von meiner Seite aus und von Kundenseite, bis so ein Graphic Recording fertig ist? Fangen wir oben rechts an: der Kunde hat oft eine gewisse Farbvorstellung „es soll zu uns passen“ oder eben eine Corporate Identity. Wir haben also im Idealfall ein paar Farben. Dazu kommt die Frage der Verwendung, denn abhängig davon, ob das GR live analog oder digital erzeugt wird und für welchen Zweck wäre es ganz gut es nicht zu klein zu zeichnen und im passenden Farbcode. ..noch ein paar Logos, um das Werk auch ja richtig dem Kunden und auch dem Recorder zuordnen zu können. Das sind also eher die Äußerlichkeiten, was aber mit dem Inneren Werten eines Recordings?! Tja, die sollte der Kunde liefern, entweder das Essentielle zum Briefing und den Rest zum Termin oder in meinem Fall unbedingt 80% VOR dem Termin, sonst verstehe nämlich im schlimmsten Fall vielleicht nur Bahnhof. Es ist tatsächlich oft so, dass für mich die Vorbereitung der aufwendigste Teil des Jobs ist.

Eben aus diesem Grund benötigt es hier mehr Vorbereitung und so ist es idealer Weise so, dass man die Präsentationen rechtzeitig vorher erhält, Unterlagen zur Literaturrecherche gestellt bekommt und die sogenannten Abstracts mit Titeln der Vorträge erhält. Dazu ist die Kongresssprache standardgemäß englisch. Hat man hier ein gewisses Informationslevel erreicht, geht man recht entspannt zur eigentlichen Veranstaltung. Lediglich ein spontaner Dozentenwechsel mit resultierendem Themenwechsel führt zu leicht unregelmäßigem Puls, kommt aber so gut wie nie vor, da fällt der Vortrag eher aus.

Die Kraft, die in Visualisierungen steckt ist enorm und zu wenige wissen davon. Hier hätten wir also meine Mission: den Mehrwert von wissenschaftlichen Visualisierungen für die Wissenschaft deutlich machen. Das Werkzeug Visualisierung der Wissenschaft zugänglich machen!

Dr. Franziska W. Schwarz
franziskawschwarz@googlemail.com

Die zeichnende Naturwissenschaftlerin.

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